Von Kurt Tucholsky, (1890 – 1935 (Freitod)), habe ich diese Geschichte gefunden, die sehr gut beweist, dass neugierige Menschen eine Qual für ihre Umwelt sein können. Darum würde ich auch nie behaupten, ich sei neugierig. Ich will nur immer alles wissen.
Im Departement du Gard, dort wo Nimes und der Pont du Gard liegen, in Südfrankreich, da saß in einem Postamt ein älteres Fräulein als Beamtin. Die hatte eine böse Angewohnheit: jeden Brief öffnete sie heimlich und las ein bisschen darin. Alle Welt wusste das, aber niemand unternahm etwas dagegen, weil in Frankreich Concierge, Telefon und Post geheiligte Institutionen sind. Das Fräulein also las die Briefe ungeniert und bereitete den Leuten mancherlei Kummer mit ihren Indiskretionen.
Im Departement wohnte auf einem herrschaftlichen Schloss ein Graf, der für seine Klugheit berühmt war. Eines Tages bestellte er den Gerichtsvollzieher auf sein Schloss und schrieb in dessen Gegenwart einen Brief an seinen Freund.
Lieber Freund!
Da ich weiß, dass das Postfräulein Emilie Dupont dauernd unsere Briefe öffnet und liest, weil sie vor lauter Neugier platzt, so sende ich dir anliegend, um ihr endlich das Handwerk zu legen, einen lebendigen Floh.
Mit vielen schönen Grüßen
Graf Koks
Und diesen Brief verschloss er nun im Beisein des Gerichtsvollziehers. Nur den Floh, den hatte er nicht dem Brief beigefügt.
Aber als der Brief ankam, war tatsächlich einer drin.
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